Sören Nolte

02 November, 2023

Verbände-Allianz / Mehrwertsteuer: „Steuererhöhung hätte fatale Folgen“

Eine breite Allianz aus rund 20 Verbänden fordert von der Politik die einheitliche Besteuerung von Speisen in der Gastronomie mit sieben Prozent. Begründet wird der Appell mit vier Hauptfaktoren, die über die rein wirtschaftliche Dimension des Gastgewerbes hinausgeht.

Bis Jahresende gilt der befristete Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent auf Speisen in der Gastronomie. Die geplante Rückkehr zum Satz von 19 Prozent, der bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie bereits seit 2007 gegolten hatte, wird seit Monaten von verschiedenen Verbänden kritisiert. Nun haben sich 17 Verbände zusammengeschlossen und fordern in einem gemeinsamen Appell die dauerhafte Beibehaltung des reduzierten Steuersatzes von sieben Prozent.

Im Appell heißt es: „Gemeinsam appellieren wir an alle politischen Entscheiderinnen und Entscheider, an den sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie festzuhalten. Restaurants, Cafés und Caterer haben eine hohe Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft.“ Betroffen seien ganze Wertschöpfungsketten wie Lebensmittel- und Getränkehersteller, Fachgroßhändler sowie die Landwirtschaft und insbesondere die Tourismuswirtschaft als auch viele weitere Partner.

Vier Gründe für die Beibehaltung

Als Gründe für die Beibehaltung der einheitlichen Besteuerung mit sieben Prozent nennen die Verbände vier wesentliche Faktoren. Dazu gehören Fairness und Gerechtigkeit. Das Essen im Restaurant und Café dürfe nicht wieder gegenüber anderen Anbietern von Essen benachteiligt werden. Seit 1. Juli 2020 gilt der einheitliche reduzierte Satz für Speisen, aktuell befristet bis Ende 2023. Wenn die Steuer für das Essen im Restaurant wieder steigt, würden für das Essen zur Mitnahme, to-go, Drive-In, die Essenslieferung sowie für Essen aus dem Supermarkt wie zum Beispiel den Fertigsalat weiterhin sieben Prozent gelten.

„Nicht ohne Grund ist seit Jahren in der Mehrzahl der EU-Staaten ein reduzierter Satz für Essen in der Gastronomie Konsens. Aktuell ist dies in 23 EU-Staaten Gesetz. Dies in Deutschland als Subvention zu diskreditieren, ist weder sachgerecht noch nachvollziehbar“, heißt es von den Interessenvertretern.

Faire Preise

Als zweiter Faktor werden bezahlbare und faire Preise genannt. Von den Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Personal sei die Gastronomie besonders stark betroffen. „Die Kosten für den Wareneinsatz und Personal machen in den meisten Betrieben bereits 60 bis 70 Prozent des Umsatzes aus, die Energiekosten vier bis zehn Prozent. Die Preisentwicklung in der Gastronomie liegt trotz der überproportionalen Kostenbetroffenheit nur geringfügig über dem allgemeinen Verbraucherpreisindex“, teilen die Verbände mit. Nur mit der 7-Prozent-Mehrwertsteuer sei es bisher gelungen, diese enormen Kostensteigerungen nicht 1:1 an die Gäste weiterzugeben.

Eine Steuererhöhung träfe insbesondere Gering- und Normalverdiener. „Essengehen darf nicht zum Luxus werden. Im Übrigen wäre es nicht nachvollziehbar, in der aktuellen Phase der Inflation diese mit einer Steuererhöhung anzuheizen“, heißt es weiter.

Ernährung der Jüngsten

Auch die Kita- und Schulverpflegung wird thematisiert. So würde eine Steuererhöhung den Zielen der Ernährungsstrategie der Bundesregierung widersprechen. „Kinder müssen lernen und erfahren, was gute und gesunde Ernährung ist. Der Kauf frischer, regionaler und ökologisch erzeugter Lebensmittel muss möglich sein unabhängig vom sozialen und finanziellen Background. Wir wollen, dass das Essen in Kitas und Schulen finanzierbar bleibt“, betonen die Verbände. Deshalb würden Eltern und Schul- wie Kita-Verpfleger dringend Planungssicherheit benötigen.

Vielfalt, Lebensqualität und Wirtschaftskreisläufe

Schließlich sind die beteiligten Verbände davon überzeugt, dass der reduzierte und einheitliche Steuersatz einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der Vielfalt des gastronomischen Angebots leisten könne. Daher betonen sie: „Die öffentlichen Wohnzimmer sind systemrelevant, auch für ein wettbewerbsfähiges und attraktives Deutschland als Tourismusdestination. Sterben die Restaurants und Cafés, sterben auch die Innenstädte. Schließt das Gasthaus, die Konditorei, die Bäckerei im Dorf, verschwindet auch ein Stück Heimat, Kultur und Lebensqualität.“

Umsatzverluste bei Lieferanten und Partnern seien ebenfalls vorprogrammiert. Die regionalen Wirtschaftskreisläufe mit der Landwirtschaft und dem Lebensmittelhandwerk gelte es mehr denn je zu stärken, statt sie mit einer Steuererhöhung zu schwächen.

Insolvenzen vermeiden

Zum Abschluss des Appells bringen die Beteiligten ihr Anliegen deutlich zum Ausdruck: „Es steht viel auf dem Spiel. Eine Steuererhöhung hätte fatale Folgen für Restaurants und Cafés wie Caterer, ihre Beschäftigten sowie für die Partner und Zulieferer der Gastronomie mit Millionen Beschäftigten. Mit einer Erhöhung auf 19 Prozent Mehrwertsteuer wären ab Januar 2024 Betriebsaufgaben und Insolvenzen vorprogrammiert.“ Die gemeinsame Forderung an die Politik lautet: „Wir appellieren an Bund und Länder, sich für die Beibehaltung der sieben Prozent auf Speisen in der Gastronomie und damit für die einheitliche Besteuerung von Essen mit sieben Prozent einzusetzen.“

Die beteiligten Verbände

Zur Allianz gehören die nachfolgenden Verbände: Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der deutschen Wirtschaft, Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels, Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft, Bundesverband der Systemgastronomie, Deutscher Bauernverband, Deutscher Brauer-Bund, Deutscher Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), Deutscher Konditorenbund, Deutscher Franchiseverband, Deutsches Tiefkühlinstitut, Europäischer Verband der Veranstaltungs-Centren, Großhandelsverband Foodservice, Leaders Club, Verband der Köche Deutschlands, Verband deutscher Schul- und Kitacaterer, Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks, Zentraler Immobilien Ausschuss.

sn