Julia Breil

22 März, 2024

Biofach-Kongress / BZfE / Rinderwirtschaft: Zwei Seiten der Medaille

Warum die Rinderwirtschaft nicht nur negativen Einfluss auf das Klima hat, war unter anderem Thema des diesjährigen Biofach-Kongresses Mitte Februar. Über die Komplexität der Kuhhaltung auf das Ökosystem berichtet das BZfE mit Bezug auf die Fachvorträge des Kongresses.

Dass die Rinderlandwirtschaft mit hohen Treibhausgasemissionen einhergeht, die sich negativ auf das Klima auswirken, ist allgemein bekannt. Auch deshalb wird von Verbänden und Experten eine Reduktion des Rindfleischkonsums empfohlen und auf eine zugleich gesundheitsfördernde pflanzenbasierte Ernährung verwiesen. Doch laut Wilhelm Windisch, Professor für Tierernährung an der Technischen Universität München, gibt es auch beim Thema Rinderlandwirtschaft zwei Seiten der Medaille, die es zu berücksichtigen gibt.

Diese stellte er auf dem Biofach-Kongress 2024 Mitte Februar in Nürnberg vor. Dabei machte er in seinem Vortrag laut Zusammenfassung durch das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) deutlich, dass zwar die Produktion tierischer Lebensmittel durchaus das Klima stärker belaste als die Erzeugung pflanzlicher Nahrungsmittel. Jedoch sei die Kuh nur teilweise das Problem.

Nicht jede Grünfläche ist Ackerfläche

Denn Fakt ist laut Windisch: Bei der Erzeugung pflanzlicher Lebensmittel fallen neben dem essbaren Anteil auch große Mengen nicht-essbarer Biomasse an. Das beginne mit Koppelprodukten der Ackernutzung wie etwa Kleegras und ende bei Nebenprodukten der Verarbeitung von Erntegütern in der Müllerei, Brauerei, Ölmühle oder Zuckerfabrik.

Darüber hinaus könne auch längst nicht jede Grünfläche in fruchtbares Ackerland umgewandelt werden, gab der Experte zu bedenken. So seien 30 Prozent der in Deutschland vorhandenen Grünflächen nicht für den Ackerbau nutzbar und das dort wachsende Gras ausschließlich Biomasse, die Menschen nicht essen können.

Nicht-essbare Biomasse für effiziente Tierhaltung einsetzen

Laut Windisch entfalle auf ein Kilogramm pflanzliches Lebensmittel mindestens vier Kilogramm nicht essbare Biomasse, fasst das BZfE weiter zusammen. Die muss wieder zurück in den landwirtschaftlichen Stoffkreislauf – sei es durch Verrotten auf dem Feld, über den Weg der Vergärung in Biogasanlagen oder durch Verfüttern an Nutztiere. Aber nur die letzte Möglichkeit mache daraus zusätzliche Nahrung für den Menschen – und zwar völlig ohne Nahrungskonkurrenz.

Konkret bedeutet das: Wird die für den Menschen nicht-essbare Biomasse an Tiere verfüttert, die wiederum für die Fleisch- oder Molkereiproduktegewinnung eingesetzt werden, so erhöhe sich die Anzahl an Menschen, die mit derselben landwirtschaftlich genutzten Fläche ernährt werden können. „Futtereffizienz“ ist laut Windisch das Stichwort, das innerhalb einer klimaschonenden Ernährungsstrategie stärker in den Fokus rücken müsse.

Nahrungsmittelkonkurrenz vermeiden

Dem Experten zufolge müsse das Leistungsniveau der Tiere – also ihre Fähigkeit Milch zu geben oder Fleisch anzusetzen – so sein, dass es in der Landwirtschaft weitgehend mit der nicht-essbaren Biomasse erreicht werden könne. Sobald mehr Ackerfläche für die Produktion von Tierfutter benötigt wird, als durch die nicht-essbare Biomasse bei der pflanzlichen Nahrungsmittelproduktion für Menschen ohnehin anfällt, gebe es eine Nahrungskonkurrenz auf der Fläche.

Das BZfE schlussfolgert daher auf Basis des Vortrags: „Der Debatte ‚Teller oder Trog‘ wäre hiermit einiger Wind aus den Segeln genommen, denn es würde ja so wenig wie möglich extra angebautes Getreide, Raps oder Soja verfüttert. Aber auch das erfordert ein Umdenken in den ökonomischen Strategien der Landwirtschaft.“ Im Vorteil seien alle Betriebe, die ihre Grünflächen CO2-gebunden und unter Förderung der Artenvielfalt bewirtschafteten. Das treffe in der Regel vor allem auf Bio-Betriebe zu. „Dann wird Nahrungskonkurrenz weitgehend vermieden und das würde die Debatte um die klimaschädliche Kuh auf sachlichere Füße stellen“, resümiert das BZfE.